
Kunsthandelsverträge und der Schutz der Kunstschaffenden im internationalen Vergleich
Der Kunsthandel basiert weltweit auf komplexen Rechts- und Vertriebsmodellen. Insbesondere Galerien stehen regelmäßig vor der Frage, wie sie Kunstwerke im Auftrag von Künstler:innen oder Sammler:innen anbieten können, ohne diese zunächst selbst erwerben zu müssen. In Deutschland, Frankreich und den USA haben sich dafür unterschiedliche rechtliche Konstruktionen etabliert wurde, die wir kurz darstellen.
Inhaltsverzeichnis
D-A-CH: Das kodifizierte „Kommissionsgeschäft“
In Deutschland ist das Kommissionsgeschäft im Handelsgesetzbuch (§§ 383 ff. HGB) relativ klar geregelt. Der Kommissionär (z.B. die Galerie) verkauft Waren im eigenen Namen, jedoch für Rechnung des Kommittenten (der kunstschaffenden Person). Eigentum bleibt bis zum Verkauf beim Einlieferer, der Kommissionär erhält eine vereinbarte Provision. Dieses Modell ist im Kunsthandel, insbesondere bei Galerien, der Standard. Die klare gesetzliche Grundlage schafft Rechtssicherheit, lässt aber auch Raum für vertragliche Ausgestaltung, etwa bei Preisgestaltung, Versicherung oder Dauer der Kommission.
Inhaltlich quasi identisch zu Deutschland ist die Konstruktion in Österreich. In der Schweiz ist das Kommissionsgeschäft allerdings nicht im Handelsrecht sondern im Art. 425 des Obligationenrechts (OR) geregelt.
Frankreich: „Dépôt-vente“ als gelebte Praxis
In Frankreich existiert kein spezieller Kommissionstatbestand im Handelsrecht. Stattdessen bedienen sich Galerien zwei zivilrechtlicher Konstruktionen:
- dem Mandat (mandat de vente), bei dem die Galerie ausdrücklich als Vertreterin des Eigentümers handelt, und
- dem dépôt-vente, bei dem ein Kunstwerk bei der Galerie „in Kommission“ verbleibt, bis es verkauft wird.
Das „dépôt-vente“ entspricht funktional weitgehend dem deutschen Kommissionsgeschäft, wird aber nicht im Handelsgesetzbuch, sondern durch privatrechtliche Vereinbarungen ausgestaltet.
Diese Praxis ist im französischen Kunstmarkt etabliert, jedoch rechtlich weniger systematisch unterlegt als in Deutschland. Das bedeutet, dass der konkrete Vertragsinhalt in Frankreich besonders wichtig ist.
USA: Consignment Agreements mit besonderem Schutz
In den USA ist das Consignment Agreement der gängige Standard. Es wird bundesrechtlich im Uniform Commercial Code (UCC Article 9) geregelt und in vielen Bundesstaaten durch spezifische Kunstmarktgesetze ergänzt (z. B. in New York, Kalifornien).
- Wesentliche Merkmale sind:
- Das Eigentum bleibt beim Künstler oder Einlieferer, auch im Falle einer Insolvenz der Galerie.
- Verkaufserlöse gelten als Treuhandvermögen („trust funds“) zugunsten des Künstlers.
- Galerien unterliegen strengen Transparenz- und Abrechnungspflichten.
Damit sind Künstler:innen in den USA rechtlich besser vor Gläubigerzugriffen oder Missbrauch geschützt als in Deutschland oder Frankreich.
Niederlande
- Rechtlicher Rahmen: Es gibt im Burgerlijk Wetboek (BW) keine eigene „Kommissionsgeschäft“-Regelung wie in Deutschland. Die gängige Form im Kunsthandel ist der consignatieovereenkomst (Kommissions- bzw. Einlieferungsvertrag).
- Praxis: Die Praxis ist rechtlich vergleichbar mit dem deutschen Modell: Der Einlieferer bleibt Eigentümer, die Galerie verkauft im eigenen Namen und rechnet mit Provision ab.
- Besonderheit: In den Niederlanden ist das Pfand- und Insolvenzrecht stark relevant – ein Werk kann bei schlechter Vertragsgestaltung theoretisch in die Insolvenzmasse der Galerie fallen. Aus diesem Grund legen viele Galerien und Künstler Wert auf schriftliche Verträge, die Eigentumsvorbehalt und Versicherung klar regeln.
- Kunstmarkt: Amsterdam hat eine internationale Rolle, besonders im Bereich Auktionen (Christie’s, Sotheby’s), wo das Kommissionsmodell Standard ist.
Belgien
- Rechtlicher Rahmen: Belgien folgt dem französischen Rechtstraditionsmodell (Code civil). Es gibt ebenfalls kein kodifiziertes Kommissionsgeschäft wie in Deutschland.
- Praxis: Auch hier wird meist mit dépôt-vente gearbeitet. Galerien übernehmen Werke in Verwahrung und verkaufen für Rechnung des Eigentümers.
- Besonderheit: Belgien hat im Kunstrecht (ähnlich wie Frankreich) sehr stark auf Praxisverträge gesetzt. Versicherungsfragen sind zentral – die Galerie haftet regelmäßig für Verlust oder Beschädigung.
- Kunstmarkt: Brüssel ist ein wichtiger Standort für zeitgenössische Kunst und Design. Hier ist die vertragliche Absicherung durch detaillierte Einlieferungsvereinbarungen üblich.
Luxemburg
- Rechtlicher Rahmen: Luxemburg folgt ebenfalls der französischen Zivilrechtsfamilie. Auch hier gibt es kein spezielles „Kommissionsgeschäft“. Praktisch angewandt wird der dépôt-vente.
- Praxis: Im kleinen Kunstmarkt Luxemburgs (Galerien, Messen) sind die Verträge oft sehr individuell. Galerien arbeiten fast ausschließlich im Namen von Künstlern und Sammlern.
- Besonderheit: Luxemburg hat aufgrund seiner Finanzmarkttradition eine ausgeprägte Sensibilität für Treuhand- und Eigentumsfragen. Deshalb enthalten die Verträge häufig klare Klauseln zum Insolvenzschutz und zur Trennung von Verkaufserlösen.
Vergleich
Pflichten der Galerien
| Vertragstyp | Pflichten | |
| 🇺🇸 | Consignment Agreement | Treuhandpflichten, getrennte Buchführung, Versicherung |
| 🇩🇪🇦🇹🇨🇭 | Kommissionsgeschäft | Verkauf im eigenen Namen, für fremde Rechnung; Sorgfaltspflicht |
| 🇫🇷🇧🇪 🇱🇺 | Dépôt-vente / Mandat | Pflicht zu ordnungsgemäßer Aufbewahrung und Abrechnung |
| 🇳🇱 | Consignatieovereenkomst | Pflicht zur Abrechnung, Versicherung meist vertraglich geregelt |
Eigentum und Insolvenzschutz (Insolvenz der Galerie)
| Eigentum | Insolvenzschutz | |
| 🇺🇸 | Bleibt der der kunstschaffenden Person | Gesetzlich garantiert, Erlöse gelten als trust funds |
| 🇩🇪🇦🇹🇨🇭 | Bleibt der der kunstschaffenden Person | Besteht aufgrund des Eigentums, aber weniger explizit gegen Gläubigerzugriff als in den USA |
| 🇫🇷🇧🇪 🇱🇺 | Verbleibt beim Einlieferer, aber weniger klar geregelt | Kein ausdrücklicher Schutz; unter Umständen eine Frage der Vertragsauslegung |
| 🇳🇱 | Bleibt der der kunstschaffenden Person | Vertraglich oft sehr streng geregelt (Treuhandklauseln sind üblich) |
Zusammenfassung
Aus der Sicht der Kunstschaffenden sind die Rechtsbeziehungen in den USA, vor allem in Staaten mit einem Kunsthandelsgesetz (New York, California) am klarsten geregelt. Dies ergibt sich insbesondere aus der klaren Stellung der Galerien als Treuhänder, was im Insolvenz-Fall einen soliden Schutz abbildet. Der Schutz für Kunstschaffende ist hier per default sehr hoch.
In den D-A-CH-Staaten kann die Stellung der Kunstschaffenden als gut angesehen werden. Zwar ist eine treuhänderische Stellung nicht explizit vorgesehen, aber das Insolvenzrecht schützt den Eigentümer (die Kunstschaffende Person) im Fall der Insolvenz grundsätzlich gut; Es sollte beachtet werden, dass ein Eigentumsnachweis geführt werden kann.
In Staaten, die das (französische) Dépôt-vente-Modell verfolgen kommt der Schutz sehr auf die Qualität des zugrundeliegenden Vertragswerks an. Insgesamt ist des Schutzniveau daher grundsätzlich schwächer. Auf eine Treuhandklausel zu bestehen scheint ratsam.
Tipps und Tricks für die Praxis
Klar darlegen, wer Eigentümer eines Werkes bei Einlieferung ist (Werkverzeichnis, Abbildungen).
Eine Treuhandstellung lässt sich in Deutschland zum Beispiel dadurch erzielen, dass der Vertrag über einen Rechtsanwalt abgewickelt wird, der Treuhandkonten führen darf.
